Ur-Münchnerin, Hirnbeiß-Mutter und Frohnatur: Eine kleine Hommage zum 30. Todesjahr von Franziska Bilek

Zeichnerin, Illustratorin, Schriftstellerin und hervorragende Karikaturistin – das alles war „die Bilek“. Heute ist eine Straße in der Theresie nach ihr benannt: Der Franziska-Bilek-Weg. Geboren am 29. Oktober 1906 in München, am 11. November 1991 ebenda gestorben, gehörte Franziska Bilek in den 1930er Jahren und darüber hinaus zu den ersten und auch beliebtesten Karikaturistinnen Deutschlands. Von der Münchner Schickeria wurde sie konsequent gemieden. Anlässlich des 30. Todesjahres von Bilek heben wir diese wunderbare Persönlichkeit hervor, die Freude bei (fast) allen verbreitet hat. Gerd Thumser, ehemaliger Lokalchef der Münchner Abendzeitung beschreibt Bilek folgendermaßen: „Es war halt so: Wo die Bilek war, war Fröhlichkeit. Lustigkeit und Unwichtigkeit vom Leben, von den Alltagsproblemen. Und sie hat sich vollkommen frei gefühlt und war da aktiv in Ihrer Welt.“

Frohnatur und Hirnbeiß-Mutter: Franziska Bilek hatte immer ein Lächeln auf den Lippen (c) Theresie, IMAGO

An allen Orten und in allen Situationen hat Bilek mimischen Stoff für ihre bekannten Porträts gesammelt. Ein eigens gezeichneter Karl Valentin hat als Schutzpatron in der eigenen Wohnung gedient. Immer hat sie ein Lächeln auf den Lippen gehabt, genauso wie die Fähigkeit, die banalen Dinge des Alltags von ihrer komischen Seite zu betrachten. Als Erfinderin des Herrn Hirnbeiß fand sie nicht nur Gehör bei der Abendzeitung: Der alte Münchner Grantler mit Bierbauch und Dackel war beliebt bei den Münchnern. Doch wer war Franziska Bilek eigentlich?

Bilek entstammt einer Familie von böhmischen Schneidern. Die Mutter, die Tanten, der Onkel und weitere zurückliegende Generationen: alle waren sie Schneider. Auch die Großmutter. Damals, als diese gestorben ist, hat die Mutter sie „hingeführt“. Bilek konnte den Tod noch nicht wirklich begreifen, da hatte sie ihrer Mutter auf dem Rückweg schon folgenden Entschluss mitgeteilt: „Du Mama, ich werd‘ a‘ mal nicht sterben! Ich werde einfach nicht aufhören zu denken.“ So einfach ist es, wenn man ein Kind ist.

Zu ihrer Mutter, die Bilek immer als äußerst liebevoll beschrieben hat, hatte sie ein besonderes Verhältnis: Auf Lebenszeit hat sie mit ihr zusammengewohnt. Zunächst in der Fürstenstraße. Nach der Scheidung der Eltern erleben Mutter und Tochter eine „scheußliche Notzeit“. Diese wollte sie nicht noch einmal erleben aber genauso wenig missen. Denn: genau diese Notzeit habe aus ihr einen Menschen gemacht. „Nur weil man mit zwei Armen und zwei Beinen auf die Welt kommt, ist man noch lange kein Mensch“, resümierte sie. Anschließend lebt sie lange mit ihrer Mutter im Giebel- und Türmchenhaus am Kosttor, im Herzen der Stadt. Über 40 Jahre ist sie hier zuhause. Ihr Fenster ist eine Sehenswürdigkeit und Touristenattraktion. Geschmückt mit Sonnenblumen und meterhohen Geranien pflegt Bilek ihren „Garten“, in dem sie auch Tomaten anpflanzt.

Erst als die Mutter stirbt, geht Bilek den Bund der Ehe ein: Bis zu seinem Tod im Jahr 1975 ist sie mit dem SZ-Redakteur Lothar Kuppelmayr verheiratet, mit dem sie bereits eine jahrzehntelange Lebenspartnerschaft verband. Nach seinem Tod muss sich Bilek erst einmal die Einsamkeit in der eigenen Wohnung gewöhnen. Aber auch zum Maler, Grafiker und Karikaturisten Olaf Gulbransson pflegte sie eine besondere Freundschaft. Von 1936 bis 1944 arbeitet sie als feste Mitarbeiterin für den Simplicissimus, wo sie durch die Fürsprache Gulbranssons angestellt wird. Dieser hat ihr Talent erkannt und einmal zu ihr gesagt: „Zeichne du nur, ich brauch‘ dir nichts beibringen.“ Als die Nazis an ihre Tür klopfen und sie für sich gewinnen wollen lehnt sie einfach ab. Die Begründung: Sie sei ja nur eine Frau und verstehe von Natur aus schon nichts von Politik.

Ab 1956 zeichnet sie für die Münchner Abendzeitung und gelangt besonders durch die Zeichnung des stereotypischen Münchner Grantlers „Herr Hirnbeiß“ zu Ruhm. Ihn zeichnen neben seinem Grantlertum vor allem seine doch liebevolle Art aus, die er meist nur seinem Dackel und seiner Maß gegenüber lebt. Die Hirnbeiß-Werke sind Bileks Rente: Selbst, wenn sie nie besonders produktiv war, erschafft sie hin und wieder 20 Hirnbeiße in allen möglichen Lebenslagen. Die AZ-Redaktion sucht ein Motiv raus und druckt dieses mit einem passenden Hirnbeiß-Satz zum Tage ab. Der Hirnbeiß hat derweil immer als gute Metapher gedient: Denn über Menschen hat sich „die Bilek“ gern mal lustig gemacht. Sich selbst auch nie zu ernst genommen. Der Hirnbeiß findet noch heute Platz in der Abendzeitung und der Historie Münchens. Eine Historie, die Bilek mit ihrer frohlockenden Art maßgeblich mitgeprägt hat.

Der Hirnbeiß lebt heute noch: AZ-Wochenendausgabe vom 20./21. November 2021 (c) AZ, Franziska Bilek

Neben ihrer Liebe zur menschlichen Komik hat sie auch ihre Liebe zu den Tieren getrieben: Den Münchner Tierpark Hellabrunn hat sie nur zu gern besucht. Bei ihren „geliebten Viechern“ war sie vor allem dann, wenn schlechtes Wetter herrschte und wenig los war. Hoffnungsvoll hat Bilek darauf, dass sich die Büffel und Stiere raufen oder etwa die Pinguine herummarschieren. Über letztere lachte sie besonders: „Die g’fallen ma immer so b’sonders, weil die so an komischen Gang ham.“

Die Stadt München am 18. April 2002 den Beschluss gefasst, eine Straße in der Stadt nach ihr zu benennen. Im Jahr 2005 wurde der Franziska-Bilek-Weg in der Theresie nach ihr benannt. Über München sagt die Bilek so schön: „Ich könnte in keiner anderen Stadt leben als München. Nirgendwo auf der Welt lebt es sich so gemütlich, so wurschtig und so unbefangen wie hier.“ Da können wir nur zustimmen.

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